Konflikte sind ein Teil unseres Alltags, sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich. Sie beginnen oft harmlos, können jedoch schnell ernst werden, wenn sie nicht rechtzeitig angegangen werden. Der Konfliktforscher Friedrich Glasl entwickelte ein Modell, das Konflikte in neun Eskalationsstufen einteilt. Diese Stufen veranschaulichen, wie Konflikte sich zunehmend verschärfen und wie man verschiedene Phasen erkennen und bewältigen kann. Ein genauerer Blick auf das Modell zeigt, dass Konflikte sich von einer “Win-Win”-Situation bis zu einem “Lose-Lose”-Ergebnis entwickeln können, wenn kein zeitnahes Eingreifen erfolgt.
Die neun Eskalationsstufen nach Glasl
Das Modell von Glasl gliedert sich in drei Hauptphasen, die jeweils durch unterschiedliche Eskalationsstufen gekennzeichnet sind.
Win-Win: Kooperation und Lösungsmöglichkeiten (Stufen 1-3)
In den ersten drei Stufen ist der Konflikt noch relativ leicht zu bewältigen. Beide Parteien können in einer „Win-Win“-Situation eine Lösung finden und den Konflikt mit minimaler externer Unterstützung selbst lösen.
Verhärtung: Ein leichter Konflikt zeichnet sich durch erste Meinungsverschiedenheiten aus. Die Parteien verharren in ihren Positionen, sind jedoch offen für Gespräche.
Debatten: Die Diskussionen werden intensiver, und es kann zu verbalen Auseinandersetzungen kommen. Beide Seiten versuchen, die andere von ihrer Meinung zu überzeugen, und der Ton wird schärfer.
Taten statt Worte: Es kommt zu Handlungen, um das eigene Anliegen durchzusetzen. In dieser Stufe könnten kleine Provokationen oder gezielte Aktionen auftreten, um die Gegenseite zu beeindrucken.
Win-Lose: Eskalation und Machtkämpfe (Stufen 4-6)
In dieser Phase wird es schwieriger, eine faire Lösung zu finden. Eine Partei versucht, die andere zu dominieren, und es entstehen „win-lose“-Situationen.
Sorge um Image: Der Konflikt wird öffentlicher, und die Parteien beginnen, sich um ihren Ruf zu sorgen. Der Fokus verlagert sich darauf, das eigene Gesicht zu wahren und die Gegenseite in einem schlechten Licht darzustellen.
Gesichtsverlust: In dieser Stufe steht die persönliche Integrität der Beteiligten auf dem Spiel. Es kommt zu scharfen Angriffen, die darauf abzielen, das Ansehen der anderen Partei nachhaltig zu schädigen.
Drohstrategien: Die Parteien greifen zu Drohungen, um ihren Standpunkt durchzusetzen. Der Konflikt erreicht eine neue Intensität, und es werden ernsthafte Konsequenzen angedroht, wenn die andere Seite nicht nachgibt.
Lose-Lose: Totale Zerstörung und der Abgrund (Stufen 7-9)
In der letzten Phase wird der Konflikt für beide Parteien destruktiv. Ein “lose-lose”-Szenario tritt ein, bei dem beide Seiten Schaden nehmen.
Begrenzte Vernichtungsschläge: Nun geht es darum, der anderen Partei gezielt zu schaden – auch auf die Gefahr hin, selbst Nachteile in Kauf zu nehmen. Beide Seiten wollen sich durchsetzen, koste es, was es wolle.
Zersplitterung: Die Parteien sind so verfeindet, dass sie die völlige Zerstörung des anderen anstreben. Der Konflikt eskaliert auf ein fast unvermeidliches Ende hin.
Gemeinsam in den Abgrund: In der letzten Stufe steht der totale Zusammenbruch an. Beide Seiten nehmen extreme Nachteile in Kauf, nur um den Konflikt auf die Spitze zu treiben, bis es für beide kein Zurück mehr gibt.
Maßnahmen zur Konfliktbewältigung
In jeder Phase gibt es unterschiedliche Ansätze zur Konfliktlösung, und es ist wichtig, diese entsprechend der Eskalationsstufe zu wählen.
Moderation (Stufe 1-3): In den ersten Stufen kann ein neutraler Moderator hilfreich sein, um das Gespräch zu leiten und eine Einigung zu ermöglichen. Hier kann durch Mediation oder Beratung oft eine Lösung gefunden werden.
Prozessbegleitung (Stufe 3-6): Wenn sich der Konflikt vertieft, braucht es eine intensivere Begleitung. Ein professioneller Prozessbegleiter oder Mediator hilft dabei, eine Eskalation zu vermeiden und die Parteien zurück zu konstruktiver Kommunikation zu führen.
Machteingriff (Stufe 6-9): In den letzten Stufen des Modells kann nur ein entschlossener Eingriff von außen den Konflikt beenden. Dies kann durch Managemententscheidungen oder sogar durch rechtliche Schritte erfolgen, um eine zerstörerische Eskalation zu stoppen.
Fazit: Konflikte frühzeitig erkennen und lösen
Das Glasl-Modell ist ein wertvolles Werkzeug, um den Verlauf und die Eskalationsstufen von Konflikten zu verstehen. Im Arbeitskontext kann es besonders hilfreich sein, um Konflikte rechtzeitig zu erkennen und Maßnahmen zu ergreifen, bevor der Konflikt außer Kontrolle gerät. Frühzeitige Intervention und eine klare Kommunikationsstrategie können nicht nur den Konflikt selbst lösen, sondern auch das Arbeitsklima und die Zusammenarbeit langfristig verbessern.
Das Modell verdeutlicht, dass nicht jeder Konflikt gleich ist und dass unterschiedliche Stufen unterschiedliche Herangehensweisen erfordern. Indem wir lernen, Konflikte bewusst und systematisch zu analysieren, können wir destruktive Konfliktspiralen durchbrechen und ein gesundes, produktives Arbeitsumfeld fördern.